02.07.2018

Sommer, Sonne, Extraschicht: 12.000 Menschen feierten im KQL

Lokale Künstler*innen boten Live-Musik, Tanz und eine interdisziplinäre Rauminstallation im Fördermaschinenhaus.

Von Akrobatik und Achtsamkeit bis zu Zeitreise und Zirkus: Menschen aller Generationen genossen eine traumhafte Nacht der Industriekultur im Kreativ.Quartier Lohberg.

 

Was für ein Tag, was für eine Nacht: wolkenloser Himmel, gemeinsam feiernde Menschen vom Baby bis zu Senioren, Angebote für alle Bedürfnisse. In der Gartenstadt trafen sich am Samstag, 30. Juni, 1000 bis 1200 Lohberger*innen zum großen Gemeindefest des Ditib-Moscheevereins an der Lohbergstraße. Sangesfreudige Anwohner*innen und diverse Chöre kamen zum day of song, unter anderem zum Rudelsingen auf dem Marktplatz. Und ab 18 Uhr strömten die Massen auf das Zechengelände. Die Voraussetzungen für einen fröhlichen Abend unter freiem Himmel und in den historischen Zechengebäuden waren ideal.

 

Schlangen auf der Food-Meile

 

Bei der letzten Extraschicht waren Schirm und Anorak gefragt, bei dieser – der 18. Nacht der Industriekultur – Sonnentops und kühlende Getränke. Die Schlangen an den Bier- und Softdrinkständen waren entsprechend lang, der Eisstand beliebt. Auch süße und salzige Leckereien wurden auf dem Platz der Vielfalt und in der Zechenwerkstatt ausgiebig genossen. Da derart viele Besucher*innen kamen, mussten sie Wartezeiten in Kauf nehmen.

 

Traumwelten und waghalsige Akrobaten

 

"Träume/Traumhafte Welten" lautete das Motto der vierten Extraschicht in Lohberg, einem von 50 Spielorten im Revier. Die ehemalige Stätte harter und gefährlicher körperlicher Arbeit bot die Kulisse für Körpereinsatz der anderen Art: Was die Artisten des "Dreams of Circus" in der Zechenwerkstatt zeigten und ebenso die Akrobaten des "Dreams of Speed" in der Kohlenmischhalle, ließ die Besucher*innen staunen und jubeln. Dicht an dicht saßen und standen sie in den jeweils drei Vorstellungen.

 

Zuschauen und selber Basteln in der Zechenwerkstatt

 

Eine bonbonbunte Zauberwelt zeigten die internationalen Zirkusstars in der Zechenwerkstatt. Da tanzten die Teller auf den Stöcken und die überaus biegsamen Artisten mit Charme und ausgefeilter Choreografie hoch durch die Luft. Künstler Martin Büttner präsentierte in der Werkstatt eine Ausstellung zum Thema "Windrad": Die Besucher*innen sorgten selbst für die Energie der lllumination. Kleine Traumyachten bastelten sie angeleitet vom Team des ND-Jugendzentrums. Das Glücksrad konnte man am Stand der RAG drehen.

 

Artistische Höhepunkte in der Kohlenmischhalle

 

In der ehemaligen Kohlenmischhalle ging es härter und lauter zur Sache. Drahtige Stuntmen turnten in rasantem Tempo - ungesichert - in und auf sich drehenden Überschlagsrädern. Drahtseilartisten bildeten eine Menschenpyramide auf dem Hochseil. Ein Künstler balancierte mehr als ein Dutzend Holzbänke. In einer wenige Meter großen Kugel rasten Motorradfahrer herum. Das Schöne dabei: Es war zwar in den Shows sehr voll, aber die Besucher*innen drängelten nicht, um die besten Plätze auf der Tribüne zu ergattern, sondern nahmen Rücksicht und teilten ihre gute Laune miteinander.

 

Entspannte Klänge und Meditationsübungen

 

Neben den großen Spektakeln hatte DIN-Event auch beschaulichere und fast intime Formate ins ausgewogene Programm genommen. Mitten im Getümmel boten junge Songwriter und Straßenmusiker*innen in aller Ruhe ihre Melodien dar. Entspannte Klänge schwebten über das Gelände.

 

Wer es ganz still haben wollte, konnte im alten Fördermaschinenhaus „jetzt einfach sein“. Das Ehepaar Müler-Knappheide von „achtsam.ruhr“ aus Dinslaken lud zu Meditations- und Achtsamkeitsübungen ein. „DIN-Event hat uns gefragt, ob wir mitmachen möchten, und wir probieren einfach aus, ob unser Kontrast zu den lauten Aktionen ankommt.“ Viele Gäste schufen auch kleine Klangschalenbilder: Mehrere bunte Farben mischen sich in einer mit Wasser gefüllten Schale. In Bewegung versetzt, malt sich das Bild aufgrund der Schwingungen fast von alleine.

 

Kreative Zauberwelt im Fördermaschinenhaus

 

In der größeren Halle des Fördermaschinenhauses schufen die Künstler*innen des Kreativ.Quartiers Lohberg ihre eigene Traumwelt. Ihre interdisziplinäre Rauminstallation tauchte den hohen Raum in blau-pinkfarbenes Licht. Im Raum schwebende Gebilde, zarte Papierschalen am Boden, farbenfrohe Malerei und geheimnisvolle Geräusche gaben dem rauen Ambiente des Maschinenhauses eine fantastische Atmosphäre. Livemusik von Samira Al-Amrie und einer Baßgeigerin mit Ausdruckstanz von „Chi Change“ ließen die Besucher*innen in das Gesamtkunstwerk eintauchen. Vor dem Gebäude traten geheimnisvoll maskierte Figuren mit den Gästen in Kontakt.

 

Kohlestückchen und Tassen am Zaun

 

Walburga Schild-Griesbeck hatte ihr Atelier freiart geöffnet, gewissermaßen das „Entrée“ des weitläufigen Zechengeländes. Dort bot sie die letzten Lohberger Kohlestückchen an. Ihre Installation aus geschenkten Tassen schmückt inzwischen etwa 15 Bauzäune: ein buntes Mitmachkunstwerk als Open-Air-Riesen-Regal.

 

Führungen mit Pascha und heiliger Barbara

 

Stark nachgefragt waren auch die besonderen Kurzführungen der Lohberg Tours Gästeführer, unterstützt von Bettina und Thomas Hecker von Restkultur und Angelika Kunz. Die Themen der drei Touren "Irre Führung durch Experten", "Pascha von Lohberg" und "Heilige Barbara des Strukturwandels" durch die Gartenstadt und über das ehemalige Zechengelände versprachen nicht zu viel. Halbstündlich starteten Planwagen, Kleinbahn und Fußgänger am Platz der Vielfalt.

 

Wandelnde Kostümkunst auf dem Platz der Vielfalt

 

Einen speziellen Blickpunkt inmitten der luftig bekleideten Nachtschwärmer bot Elli Dickmann aus Voerde: Sie trug stundenlang ihr warmes, schweres Karnevalsgewand in Leuchtfarben mit weiten Flügeln. Wandelnde Kostümkunst, die wie ein Riesenschmetterling zwischen den alten Zechengebäuden wirkte. Als es dunkelte, zogen Elfen mit Blumenlampions über den Platz der Vielfalt, der seinem Namen mehr als gerecht wurde.

 

Flammenzauber, Kultfilm und „Glück auf“

 

Zu später Stunde lockte die stimmungsvolle „Show der Begegnung“ mit Tanz und Schauspiel von professionellen Künstler*innen mit und ohne Behinderung in den Bergpark. Weitere Punkte des üppigen Extraschicht-Programms: die „XXL-Feuershow“ von "incredible flames" um Mitternacht und schließlich der Kultfilm "Rocky Horror Picture Show" mit seinen mitreißenden Songs, dargeboten in Kooperation mit "Filme mit Freunden". Etwa 1000 Filmfans tanzten vergnügt durch die laue Nacht.

 

So fand die aufregende Großveranstaltung ihr Ende, die der MGV Concordia mit dem traditionellen „Glück auf“ begonnen hatte. Bürgermeister Michael Heidinger befand bei der Eröffnung, Dinslaken sei „aus der Extraschicht nicht wegzudenken“. Das sehen sicher auch viele Tausend faszinierte Besucher*innen so. 

 

Text und Fotos: Gudrun Heyder