David Murray

KQL Serie, Folge 7


Jazz Initiative holt Newcomer und Weltstars nach Dinslaken


Die Jazz Initiative Dinslaken hat ein Büro im Kreativ.Quartier Lohberg und veranstaltet im Ledigenheim die beliebte Reihe „Jazz im Mittelpunkt“. Der erste Vorsitzende Dr. Johannes Hermens gründete den Verein 1996, um den Jazz nach Dinslaken zu holen. Der Erfolg stellte sich rasch ein.


Johannes Hermens ist ein wandelndes Jazz-Lexikon. Er kennt sie alle, die internationalen Stars ebenso wie regionale Newcomer. Seit er 18 war, ist die Jazzmusik sein Hobby, und zwar ein äußerst intensives. Der Dinslakener Hausarzt hat vor 19 Jahren die Jazz Initiative Dinslaken gegründet, mittlerweile eine feste Größe im Kulturleben der Stadt und der Region. Der Vereinsvorsitzende träumt davon, die US-amerikanische Jazzdiva Dee Dee Bridgewater nach Dinslaken zu holen. Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr anlässlich des 20. Vereinsjubiläums…


Musikalische Größen aus aller Welt hat Dr. Johannes Hermens schon oft als Gäste begrüßt, denn seine Kontakte in der Szene sind bestens. Jazzpianist George Gruntz zum Beispiel, langjähriger künstlerischer Leiter des Berliner Jazzfestes und inzwischen leider verstorben, war sein Freund. Er hat ihn beraten, als er 1996 die Jazz Initiative ins Leben rief. „Ich wollte den Jazz wieder nach Dinslaken holen“, erzählt der 63-Jährige. „In den 1950er und 60er Jahren sind hier berühmte Jazzer wie Dizzie Gillespie, Kurt Edelhagen und Charles Mingus aufgetreten. Diese Tradition sollte wieder aufleben.“ Seine Familie machte mit, denn ein Verein muss mindestens sieben Mitglieder haben. Seine Frau Ute, ehemalige Krankenschwester und ebenfalls Jazzfan, ist heute zweite Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins. Sein Sohn und ein Neffe waren ebenfalls Gründungsmitglieder sowie Jörg Springer, Freund und damaliger Pächter der Stadthalle. Inzwischen zählt der Verein über 60 Mitstreiter.
 

Leuchter Melrose Duo

Aufsehen erregender Auftakt mit George Gruntz und der Concert Jazz Band


Das erste Konzert der Initiative brachte gleich Prominenz in die Stadt: „George Gruntz ist mit seiner Big Band in der Stadthalle aufgetreten. Das war der Abschluss ihrer 25th anniversary-Russland-Tournee, der eigentlich in Berlin stattfinden sollte. George sagte, da könne er doch immer auftreten und sie würden stattdessen nach Dinslaken kommen. Ich habe die Band mit dem Bus am Frankfurter Flughafen abgeholt und alle waren froh, dass sie nach den Abenteuern in Russland und den schlichten Hotels hier in toller Atmosphäre spielen und angenehm wohnen konnten.“ Örtliche Sponsoren machten sich für den Auftritt stark. Zahlreiche Unterstützer ermöglichen dem Verein bis heute ein sehr attraktives Programm mit hochkarätigen Künstlern.


„Dr. Jazz“ finanzierte sein Medizinstudium als Schlagzeuger


Bevor Johannes Hermens sich für den Jazz in Dinslaken stark machte, war er bereits in aller Welt zu Konzerten unterwegs. Da, wo der Jazz zuhause ist, war er zu Gast – ob in New York, Montreux, Nizza, Juan le Pin, Den Haag, Berlin .Die alljährlichen Berliner Jazztage im November waren ein Muss, auch als er als junger Arzt im Dinslakener Krankenhaus Schichten schob. Der Allgemeinmediziner ist selbst sehr musikalisch. „Ich habe Klavier gelernt, schon als 15-Jähriger in einer Beatband Schlagzeug gespielt und mein halbes Studium mit Musik verdient. Musik zu studieren habe ich mich aber nicht getraut.“ Er entschied sich für Medizin und studierte praktischerweise in der Jazzhochburg Göttingen. „Dr. Jazz“ hat sein Leben lang in verschiedenen Bands gespielt, zunächst Dixie und Swing, später Bebop und Hardbop und häufig auch im Trio.


Sein Berufsleben als Hausarzt erfüllt den gebürtigen Geldener, der 1976 nach Dinslaken kam und seit 1981 niedergelassen ist. Die Musik braucht er als Ausgleich, „und das empfehle ich auch meinen Patienten. Musik ist Therapie und man kann damit zu sich selbst zurück finden.“
 

Renovierung der Räumlichkeiten der Jazzinitiave Dinslaken; links Thomas Termath, rechts Dr. Johannes Hermens

Vereinsbüro im KQL und gut besuchte Jazzreihe im Ledigenheim


Die Jazz Initiative startete in einem Jugendzentrum und hatte dann lange Jahre das Bistro in der Stadthalle als Domizil. „Wir brauchten aber einen Raum, in dem wir auch unsere Flyer und Plakate vorbereiten können“, erläutert Johannes Hermens, „und waren froh über die Anfrage des KQL, ob wir dort einziehen wollten.“ Den Raum im Untergeschoss des Sozialgebäudes hat der Vereinsvorstand mit alten Plakaten der Initiative ausstaffiert. Seit 2012 ergänzen die Jazzer das Spektrum der Kreativen im KQL, deren Schwerpunkt auf Bildender Kunst liegt. Sehr praktisch ist die Nähe zum Lohberger Ledigenheim, in dem jetzt bis zu zehn Konzerte im Jahr stattfinden, „und wir haben doppelt so viele Besucher wie vorher“, berichtet der erste Vorsitzende zufrieden. Die Konzertreihe ist als Abo buchbar – „das haben wir der Kölner Philharmonie abgeguckt“.


Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Kulturszene ist dem Verein wichtig. Dazu zählen außer der Stiftung Ledigenheim das städtische Kulturamt, die Freilicht AG Dinslaken und der Kulturkreis Dinslaken e.V. Das Netzwerk der Jazzszene am Niederrhein veröffentlicht einen gemeinsamen Konzertflyer und betreibt die Webseite „Jazz am Niederrhein”.


International bekannte Künstler, regionaler Nachwuchs und lokale Amateure


„Unser Konzept bestand bei der Gründung darin, Nischen zu besetzen“, erklärt der Vereinsvorsitzende. „Traditionellen Jazz gab es ja in Duisburg. Und wir wollten junge Leute nach Dinslaken holen. Viele, die als Newcomer hier aufgetreten sind, sind inzwischen weltberühmt, zum Beispiel Nils Wogram, Andre Nendza, Abraham Burton, Hayden Chisholm, Seamus Blake, Jochen Rückert, Simon Nabatov, Scott Colley und weitere“, sagt er nicht ohne Stolz. Die WDR-Bigband gastierte mehrfach – ein Mitglied ist Dinslakener - , die Count Basie Bigband war hier, die New York Voices mit Paquito de Rivera, das United Jazz and Rock Ensemble, das European Jazz Ensemble, die Illinois Jaquet Big Band und viele andere mehr. Dazu gesellen sich Jazz-Profis aus dem Ruhrgebiet, dem Kölner Raum, holländische, belgische und französische Musiker. Aber auch regionale Nachwuchskünstler und Amateure wie der Chor Lohberg Voices und die Dinslakener Monday Big Band zeigen auf der Bühne ihr Können.


Musikalische und menschliche Sternstunden – das Steigerlied in Jazzversion


Bewährt hat sich das Konzept, im Rahmen der Konzertreihen eine Auswahl der schier unendlichen Bandbreite des Jazz zu präsentieren. Gerade die vielfältigen Einflüsse und Mixturen des Jazz mit Klassik, Pop, südamerikanischer oder asiatischer Musik machen den Reiz vieler Konzerte aus. Das Angebot des Vereins geht jedoch über das Musikalische hinaus: Projekte mit Tanz, Malerei und Fotografie bieten zusätzliche Abwechslung. „Ein Highlight war das Konzert GLÜCKAUF JAZZ von Angelika Niesciers Quartett ‚Sublim‘ und dem Knappenchor MGV Concordia aus Lohberg anlässlich der Local-Hero-Woche in Dinslaken zum Kulturhauptstadtjahr 2010. Sie präsentierten Bergmannnslieder im neuen Gewand. Thomas Termath,seit dem Jahr 2000 für die Programmplanung im Verein zuständig, hatte die Idee zu diesem außergewöhnlichen Projekt. Zwei musikalische Welten trafen aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Die Chormitglieder waren bei den Proben erst sehr zurückhaltend und sagten: „Aber das Steigerlied verhunzen wir nicht!“ Auf dem Programm stand es dennoch. Und die Bergleute konnten gut mit der Jazzversion ihrer ‚Hymne‘ leben. Die Neugier, die Offenheit und der gegenseitige Respekt aller Beteiligten haben maßgeblich dazu beigetragen, dass es ein tolles und denkwürdiges Konzert wurde“, erinnert sich Johanes Hermens gerne.
 

Preis für das herausragende Programm vom Kulturstaatsminister


Was er an seinem ehrenamtlichen Zweitjob liebt, sind nicht nur die musikalischen Sternstunden, sondern vor allem auch die menschlichen Begegnungen. „Wir behätscheln und vertätscheln unsere Künstler“, schmunzelt er. „Sie rund um den Auftritt persönlich zu umsorgen, gehört einfach dazu.“ Nach den Auftritten ging es traditionell zum Italiener Zia Rosina. Dort spielten sich wunderbare Szenen ab, wie die spontane Session mit der 78-jährigen italienischen Mutter Rosina als Sängerin kalabrischer Lieder, dem Sohn Tonino an der Gitarre und dem namhaften Jazzer Abrahm Burton am Bass. „Das ging bis vier Uhr morgens!“


„Musik ist eine Weltsprache“, weiß Johannes Hermens. Zu ermöglichen, dass Menschen aus verschiedenen Generationen und verschiedenen Kulturen sich in dieser Sprache begegnen, voneinander lernen und zusammen Spaß haben, macht ihn und seine Vorstandskollegen glücklich. Etwa 200 Konzerte mit etwa 225 Bands und 1050 Musikern haben sie bisher veranstaltet – das wäre ein halbes Jahr lang in Folge jeden Abend ein Konzert. Ein bewundernswertes Engagement für Ehrenamtliche!


Das sehen auch andere so: 2013 wurde der Dinslakener Verein vom damaligen Kulturstaatsminister Bernd Neumann mit dem erstmals vergebenen Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz ausgezeichnet. 320 Musikclubs und Veranstalter hatten sich beworben, 55 von ihnen wurden in drei Kategorien für ihr herausragendes Programm geehrt. „Diese tolle Anerkennung hat uns sehr gefreut und motiviert“, erklärt Johannes Hermens. Und obendrauf gab es im selben Jahr auch die Spielstätten-Programm-Prämie des Landes Musikrates NRW, die in Wuppertal verliehen wurde.

Text: Gudrun Heyder

Fotos: Thomas Termath

INFO
 

Vorstand der Jazz Initiative Dinslaken
1.Vorsitzender: Johannes.Hermens
2.Vorsitzende: Ute Krüger
Schatzmeister, Mitgliederbetreuung, Finanzen: Klaus Wolsing
Konzert- und Programmplanung: Thomas Termath
Webseite / Facebook: Michael Reuber

www.din-jazz.de